Kleiner grüner Kaktus gegen das Empire

19. April 2010

Rezension zur Premiere von „Land in Sicht“

Wir sind der Meinung das war“ – „Spitze“. Mit einem spontanen „Satz in die Luft“ à la Hans Rosenthals legendärer Dalli-Dalli Show verabschiedete das Publikum die über 50 Darsteller im KJT-Theater „Land in Sicht“. Unter der Regie von Sebastian Lober und Georg Rugel hatten sie dem ausverkauften Haus im Pfarrsaal Thannhausen bei der Premiere am Freitag einen fulminanten Abend bereitet. Mit Singgruppe und Kinderchor hatten sie eine flotte Geschichte erzählt, die die Zeit, in der wilde Seeräuber die Meere unsicher machten, mit dem Hier und Heute verbindet.

Wilde Piraten vor ihrem Schiff

Was passiert, wenn die KJT (Katholische Jugend Thannhausen) mit Mann, Frau und Maus Theater spielt? Dann stimmt etwas nicht, aber man weiß nicht so genau was. Die Bühne ist der Pfarrgarten von Thannhausen, dort findet ein Zeltlager statt. Für die kleinen Kinder werden in aller Vorsicht, dass sie nachts auch schlafen können, Gespenstergeschichten erzählt. Die größeren versuchen sich mit grobschlächtig grausamen, etwas an den Haaren herbeigezogenen Gruselgeschichten gegenseitig zu übertreffen. Da gibt es ein nächtliches Unwetter und es strandet plötzlich ein wirkliches Geisterschiff (Bühnenbaumeister: Daniel Reithmeier). Auf ihm segeln ganz andere Gestalten als die fröhliche Zeltlagerbande. Sie tragen hohe Stiefel, Narben im Gesicht, krumme Säbel und verwegene Knarren. Es sind Piraten „von der übelsten Sorte, aber Gottlob nicht von der hellsten“ so der Autor Martin Winklbauer über sein Stück. Nachdem diese Piraten eine lange Zeit auf Donau und Mindel gesegelt sind, sehen sie in Thannhausen endlich „Land in Sicht“!

Die beiden Parteien stehen sich gegenüber

Wie geht man mit einer solchen wilden Rotte um? Erst einmal spielt man Theater: die Zeltlagerleute sind selbst als Piraten verkleidet und tragen Piratennamen. Damit flößen sie den wirklichen Piraten aus dem Jahr 1718 tatsächlich auch ohne Waffen Angst ein. Schließlich zeigen gerade die jüngsten Kinder Mut und Ideenreichtum, wenn es zum Kampf um den Schatz kommt, den die historischen Piraten auf dem Zeltlagergelände vermuten. Es ist ein Spaß zu beobachten, dass sich die wilden Piraten im „Pfostensitzen“ messen wollen, und wie das kleinste Mädchen auf dem Zeltlager den berüchtigten Kapitän Blackbeard (Benedikt Lober) im „Schwertdrücken“ besiegt. Dass sich Blackbeard und seine Piraten (Kilian Förner, Daniel Czeschner, Nina Drößler, Sandra Müller, Lukas Heim und Florian Brustkern) bei ihrem wilden Leben Singstimme und Tanzbein bewahrt haben, ist höchst erstaunlich.

Als sich die Lage zuspitzt und die Piraten mit viel Rum im Blut und mit gezückten Waffen darauf bestehen, den Schatz ausgeliefert zu bekommen, stellt sich Lagerleiterin Rosi (passend gespielt von Gemeindereferentin Maria Klaus) vor ihre Anvertrauten: Unser Schatz, das wertvollste was junge Leute besitzen, ist nicht aus Gold. Sie erinnert die wilden Piraten, dass ihnen selbst, wenn sie nachts träumen, auch anderes als Gold und Reichtum in den Sinn kommt.

Zeltlagerleute sperren wie ein Hai das Maul auf

Die Illustration der Träume übernimmt die Musik, komponiert und live am Keyboard begleitet von Jürgen Steber. Teils gibt es schnelle revueartige Melodiewechsel, teils gibt es größere Liedkompositionen. Motivisch besonders geglückt sind die beiden Lieder, mit denen die beiden Piratengruppen Kraftmeierei betreiben. Die gewaltbereiten Piraten haben den gesamten schatzräuberischen Schwung der Kolonialzeit im Rücken, wenn sich ihr Lied wie die englische Nationalhymne anhört. An der Oberfläche versuchen sich die Zeltlagerleute als Mecky Messer zu verkaufen, der gefährlich ist, ohne dass man sein Messer sieht. Gerade aber als sie nach außen mit den scharfen Zähnen eines Hais Eindruck zu schinden versuchen, hört man als Melodie im Hintergrund die eigentliche Waffe der jungen Leute, ihren „kleinen grünen Kaktus“. Charme, Unbekümmertheit und Freundlichkeit der Comedian Harmonists gehen so spielerisch auf die Zeltlagerleute über.

Der Schiffsjunge Jolo (links), beäugt von den Zeltlagerleuten

Eine tragische Rolle spielt der Schiffsjunge der Piraten, Jolo (Andrea Müller). Untertags spielt er seine Rolle als Arbeitssklave der Piraten, nachts ist er tief unglücklich und klagt seine Not einem Stern am Himmel. Es tut dem Zuschauer weh, wenn die Singgruppe melodramatisch von seinem „Stern in der Nacht“ singt. Jolo gelingt es, zwischen Piraten und Jugendlichen dezent zu vermitteln. Die Wertschätzung der Jugendlichen beflügelt ihn regelrecht. Man sieht, wie ihm die Gemeinschaft mit freundlichen Menschen gut täte. Und doch bleibt die Zeitreise für ihn ein Traum, er verschwindet mitsamt Schiff und Piraten bei Blitz und Donner, so wie das Schiff gekommen war.

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