Apokalyptischer Gegenentwurf

5. Juni 2008

Der Archetyp von Sophie Scholls Traum in der letzten Nacht (siehe letzter Eintrag). Es ist eine Zeit großer Not :

Da erschien ein großes Zeichen am Himmel: Ich sah eine Frau, die mit der Sonne bekleidet war; sie hatte den Mond unter ihren Füßen, und auf ihrem Kopf trug sie eine Krone aus zwölf Sternen. Und sie war schwanger und schrie in ihren Wehen, denn die Schmerzen unmittelbar vor der Geburt hatten sie erfaßt. (Offenbarung des Johannes, Kap. 6)

Sophie ist nicht wörtlich schwanger, aber sie hat etwas mit sich, das weiterleben soll. Etwas eigenes und etwas nicht Eigenes. Statt dem tiefen Erdspalte erscheint diesmal ein Tier aus der Urzeit.

Und ein anderes Zeichen erschien am Himmel: Ein großer feuerroter Drache, der sieben Köpfe und zehn Hörner hatte und auf seinen Köpfen sieben Kronen. Sein Schwanz fegte den dritten Teil der Sterne des Himmels hinweg und warf sie auf die Erde. Und der Drache stellte sich vor die Frau, die gebären wollte, damit er ihr Kind verschlinge, sobald sie geboren hätte. Und sie gebar einen Sohn, einen kraftvolles männliches Kind, das dazu bestimmt war, alle Völker mit eisernem Stab zu weiden. Und das Kind wurde zu Gott und zu seinem Thron entrückt.

In der kirchlichen Tradition identifiziert man die Frau, die trotz der großen Drangsal ihr mächtiges Kind zur Welt bringt, symbolisch mit Maria aus Nazareth, der Mutter Jesu bzw. mit der „seligen Jungfrau“, so Haecker. Bildliche Darstellungen von der Frau haben gern etwas von Kitsch, die Taufpatin und die Erdspalte ist mir lieber.

Biblisch hat die Frau ein direktes Vorbild in einer Prophetengeschichte. Da gab es doch schon einmal eine Frau, die gebären sollte, obwohl da Könige nur tun was sie wollen – ein Bündnis mit dem großen Nachbarn schließen – und darauf vertrauen, dass Gott sie schützen will … die, die den Immanuel „Gott mit uns“ gebären sollte.

Das ganze als Symbol dafür, wo die Macht sitzt – wie sie aussieht. Gegenmodell zu den Nazis bzw. dem deutschen Mann: die kosmische Frau. Sie strotzt nicht vor Stärke, sondern hat Schmerzen, Geburtswehen.

Auch das Bild der Weißen Rose (oder Lilie) ist nicht frei von lieblichen und kitschigen Assoziationen, über Dante, bildende Kunst und gewisse Marienlieder ist es vernetzt mit dem Bild der kosmischen Frau am Himmel. Es bringt zu den Ideen von Macht und Schmerzen die Idee der Reinheit mit ins Bild: Auch das wieder in Absetzung zur Naziwelt, in der vieles einfach Dreck war: von der Sprache bis zu den weltanschaulichen Ansichten.

Es stimmt, es mag ja sein, dass der konkrete Anlass für die Namensgebung jener Brief an Lilo Ramdohr oder Brentanos Romanzen gewesen sein mag, im Namen steckt mehr. Ein apokalyptischer Gegenentwurf zur aktuellen Zeit, der doch mit etwas ganz konkretem angefangen wird. Schließlich wachsen weiße Rosen auf der Erde. (Dagegen bleibt auch Zankels Deutung von einer aristokratischen Parteiung blass.)

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